Laudatio bei der Verleihung des Solideo-Kirchenmusikpreises an Dieter Birmann am 18. November 2023
Sehr verehrter Herr Dr. Birmann, sehr verehrte geladene Gäste, liebe Festgemeinde,
35 Jahre haben Sie, lieber Herr Birmann, den Lochhausener Singkreis geleitet. 35 Jahre – das ist eine ganze Generation lang, denn mit 35 haben die damals Geborenen längst eigene Kinder. 35 Jahre, und wenn ich die 7 dazurechne, die Sie jetzt schon in die zweite Reihe getreten sind, dann war ich damals ein 14-jähriges Schulkind, als Sie mit dem Lochhausener Singkreis begonnen haben, und inzwischen habe ich graue Haare!
35 Jahre – viele Pfarrer und Pfarrerinnen sind gekommen und gegangen – und Sie sind geblieben, treu der Lochhausener Kirchenmusik verbunden geblieben. Und eigentlich gebührt es mir als letzte von dieser Phalanx an Pfarrpersonen gar nicht, heute die Laudatio zu halten, denn ich habe am allerwenigsten die Chance gehabt, ihr Wirken zu erleben. Also rede ich heute wie die Blinde von der Farbe. Aber vielleicht können Blinde ja umso intensiver ertasten, was so ein ehrenamtliches Lebenswerk bedeutet und das will ich versuchen.
35 Jahre Lochhausener Singkreis – das sind laut Chronik 496 Auftritte, im Schnitt 14 pro Jahr und in einer enormen Vielgestaltigkeit: mit einem vielseitigen Programm von Renaissance bis Neuzeit, vom Kanon, eben mal so vor der Haustür angestimmt, bis zur Kantate mit ganzem Orchester und Chor. Eigentlich ist der Lochhausener Singkreis ein Kirchenchor, aber er hat einen wichtigen Beitrag zum Gemeindeleben, auch zum Kulturleben im Stadtteil Lochhausen geleistet. Er hat Leute weit über den Dunstkreis der Kirche hinaus angezogen – solche, die gern Musik gemacht haben hier im Ort und solche, die ihr gern zugehört haben bei den Abendmusiken, Kammermusiken und Gottesdiensten.
Und dieser Singkreis bot ein vielseitiges Repertoire, war sehr flexibel und immer nah an den Menschen: Mal stand der Chor im Gottesdienst in Lochhausen und der Himmelfahrtskirche bereit, bei den Partnerschaftsgottesdiensten wurde dann auch auf afrikanisch gesungen, sogar Kantaten wurden aufgeführt. Dann waren es Begrüßungen und Abschiede von Pfarrern, Konfirmationen, aber daneben eben auch Ereignisse ganz nah am persönlichen Leben der Menschen: Geburtstagsständchen vor der Haustür und im Garten oder ein Abschiedslied am Sarg bei Beerdigungen. Ich habe neulich bei einem Beerdigungsgespräch erst spüren können, wie weite Kreise diese Chorarbeit gezogen hat. Da hat mir die Tochter der Verstorbenen erzählt, wie sehr ihre Mutter an diesem Chor gehangen hat, wie diese Proben sie immer wieder aus ihrer Schwermut gerissen haben.
„Denn ein Chor spricht Menschen an und verbindet sie und bringt sie dem Evangelium näher.“ So haben Sie es einmal gesagt, Herr Birmann. „Und er ist ein Netzwerk. Wichtig ist mir das soziale Netz, zum Wohle der Chorgemeinschaft und der Gemeinde.“ Und ich möchte noch hinzufügen: der Gesellschaft. Denn in einer Zeit, in der jeder zweite Haushalt in den Städten ein Single-Haushalt ist und jeder und jede an seinem eigenen Lebensentwurf bastelt, sind Orte so wichtig, wo Menschen zusammenkommen – wo so unterschiedliche Menschen zusammenkommen, um miteinander etwas zu tun, zu gestalten, um miteinander zu singen. Zusammen Musik machen – das ist auch ein wichtiges soziales Engagement, das Mauern zwischen Menschen abbaut, sie auf einer ganz anderen Ebene neu zusammenführt. Daniel Barenboim wäre begeistert.
Lieber Herr Birmann, Sie haben nicht nur einfach einen Chor geleitet – und das voll und ganz ehrenamtlich, ohne auch nur jemals eine Aufwandspauschale zu bekommen! Sie waren sehr kreativ und haben immer wieder neue Formen gefunden, Musik zu präsentieren: Seit 1984 gibt es die Lochhausener Abendmusik, ein buntes Potpourri aus Stücken des Lochhausener Singkreises, Auftritten von Instrumentalisten und auch Berührungen mit Jazz und Bandmusik waren kein Tabu – das ist heute ja mal wieder so eine feine Kostprobe. Seit 2003 gab es dann auch ökumenische Taizé-Meditationen in St. Michael, der katholischen Kirche. Und der Chor hat auch an anderen Orten Kirchenmusik repräsentiert: bei den ökumenischen Kirchentagen in München hatte er drei Auftritte, u. a. in der Alten Kongresshalle und in Aubing war er beim ökumenischen Open-air-Gottesdienst am Luss-See dabei. Er spielte auch einen Beitrag für die „Evangelischen Perspektiven“ des BR ein. Ein weiterer Höhepunkt war die Uraufführung der Motette „Die Heilung des Bartimäus“. Emanuel Vogt, der damalige Kantor aus Windsbach hat sie extra für den Singkreis geschrieben und ihm gewidmet!
Und ein Chor war nicht genug: 1992 wurde der Ökumenische Jugendchor Lochhausen gegründet, passend zu den neu eingeführten ersten ökumenischen Gottesdiensten in Lochhausen. Sieben Jahre leiteten Sie den Kinderchor Lochhausen, organisierten Kinderkonzerte und Konzerte mit Kinderchor und Singkreis zusammen. Und weil’s noch nicht reichte: Sie bauten ein Streicher-Ensemble auf, ein Taizé-Ensemble und eine Combo für geistliche Lieder. Sie kümmerten sich um die Anschaffung von Orgel und Klavier für Lochhausen. Es gab seit 2013 Kammermusikabende in Lochhausen – eine Zeitlang sechs Konzerte pro Jahr! –, nur den Tanztee mit dem Tea Time Ballroom Orchestra, den hat Herr Holnaicher organisiert. Sie machten nicht nur Musik, sondern gestalteten auch Plakate, luden die Presse ein, schrieben Noten und Arrangements und hinterher die Berichte. Sie waren sich für nichts, aber auch gar nichts zu schade – und das alles ohne Bezahlung. Einfach weil Sie Spaß daran hatten – und das übertrug sich auf andere. Die Menschen machten mit, steuerten Essen und Trinken bei, stellten Stühle und kamen zum Zuhören. Nicht mal die Corona-Zeit konnte dem Singkreis etwas anhaben – Sie haben auch die Zoom-Zeit ohne Verluste überstanden.
Was für ein Erfolgsrezept steckt da dahinter? Sie selbst sind ja eigentlich Autodidakt, wie Sie sagen – haben jahrelang in Schulorchestern und Chören mitgemacht und dann Bratsche gelernt und eine D-Prüfung für die Orgel abgelegt. Von Musik verstehen Sie daher etwas. Aber ich glaube, das Erfolgsrezept liegt anderswo. Ich glaube, Sie verstehen es wie kein anderer, die Menschen dazu zu bringen, sich Ihrer eigenen Talente und Fähigkeiten bewusst zu werden und sie für etwas Gemeinsames einzubringen. Bezeichnend dafür ist allein schon, wie der Lochhausener Singkreis entstanden ist: Die nächste Konfirmation im Gemeindezentrum Bartimäus stand bevor. Außer Orgelmusik war nichts vorgesehen im Gottesdienst. Auf der Heimfahrt in der S-Bahn von Lochhausen nach Pasing saßen Sie mit anderen Familien zusammen. Und als Sie in Pasing wieder ausstiegen, da war klar: Wir acht Leute steuern den Chorgesang bei. Und das machte so viel Spaß, dass man sich öfter traf und zum Lochhausener Singkreis wurde mit über dreißig Sängerinnen und Sängern. Eine Zeugin, die das miterlebt und sehr gefördert hat, sitzt heute hier: Hanna Wirth, damals Pfarrerin in Lochhausen, bevor sie später Dekanin in Rosenheim wurde.
Lieber Herr Birmann, ihr Engagement ging weit über die Kirchenmusik hinaus. Wo man hinschaut, spürt man, wie sehr Sie in dieser Gemeinde verwurzelt sind und wie sehr Sie mit diesem Gemeindehaus verbunden waren: Sie haben viele viele Bilder zusammengetragen und eine Bildgeschichte des Gemeindezentrums veröffentlicht. Sie haben eine Chronik dieser Gemeinde geschrieben. Gerade lassen Sie nicht locker, dass auch der Grundstein des alten Gemeindezentrums eine würdige Ruhestätte in den Außenanlagen der neuen Gebäude findet. Sie haben vorgeschlagen, dass man den neuen Saal, den die Gemeinde dann mitnutzen kann, Bartimäus-Saal nennt. Und Sie verfolgen das Projekt einer von ihnen gebauten Sonnenuhr am neuen Gebäudekomplex mit solcher Hartnäckigkeit, dass ich sicher bin, dass Sie auch den Landesbischof noch rumkriegen würden und auch das Landeskirchenamt – sollte es jemals dagegen gewesen sein – eines Tages seinen Widerstand aufgeben wird.
Ich habe auch den größten Respekt davor, dass Sie nicht bis zum Umfallen Chorleiter geblieben sind, sondern von selbst in die zweite Reihe gegangen sind – natürlich erst, nachdem der Chor erst mit Musikstudierenden und dann mit Frau Zapryanova gut versorgt war. Und wir danken Frau Zapryanova, dass Sie diesen Chor nun in die Zukunft führt mit viel Expertise und musikalischem Gespür!
Lieber Herr Birmann, dieser Solideo-Preis geht hochverdient an Sie! Mit Ihnen freut sich der Kirchenvorstand der Himmelfahrtsgemeinde, der Lochhausener Singkreis und die ganze Gemeinde Lochhausen und gratuliert Ihnen ganz herzlich!
Und mir ist noch etwas ganz wichtig: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht auch eine starke Frau. Damit sind Sie gemeint, liebe Frau Birmann. Sie haben nicht nur immer wieder an der Seite ihres Mannes selbst Musik gemacht und mitgesungen. Sie haben unzählige Male ganz spontan mitangepackt, das Drumherum organisiert: Menschen angerufen, eingekauft, Dinge bereitgestellt, für den bestmöglichen Rahmen gesorgt. Ohne Sie wäre wahrscheinlich keine einzige dieser tollen Aufführungen zustande gekommen. Und darum möchte ich mich bei Ihnen heute auch ganz besonders bedanken.
Und noch jemand verdient besondere Anerkennung. Als vor einiger Zeit ein offizieller Brief vom Landeskirchenamt im Pfarramt bei uns eintrudelte und von einem Solideo-Preis sprach, da sagte unsere Sekretärin Frau Wrage sofort: Da gibt’s nur einen: Herr Birmann! Und so kam es, dass Yoko Seidel und ich den Antrag stellten, den dann der Kirchenvorstand unterstützte. Liebe Frau Wrage, danke für Ihre Wachsamkeit und für den Hinweis! Wenn Sie also mal wieder eine Fürsprecherin für den Lochhausener Singkreis im Pfarramt brauchen, wenden Sie sich an Frau Wrage! Und auch ihr Mann Uwe unterstützt gerne …
Und dann kommt etwas sehr Wichtiges zum Schluss: All die Jahre hat die katholische Gemeinde diese Arbeit von Herrn Birmann sehr unterstützt – von Anfang an lief sie ökumenisch. Ein Zeichen dieser Großzügigkeit ist auch, dass wir jetzt hier im Pfarrheim St. Michael sitzen, das uns wie selbstverständlich und wie schon unzählige andere Male zur Verfügung gestellt wurde – gerade jetzt in Zeiten des Umbaus unseres Gemeindezentrums. Dafür sind wir, liebe Frau Rührmeyer und liebe Glaubensgeschwister in Lochhausen, unendlich dankbar! Als Zeichen der Anerkennung geht die Kollekte am Ausgang heute zur Hälfte an die katholische Schwestergemeinde, die andere Hälfte ist für den Singkreis bestimmt. Vielen Dank dafür!