Eine Schwierigkeit beim Singen von Liedern in Swahili sind die mitunter recht langen Wörter aus vielen kurzen Silben, die man schnell erfassen muss, besonders wenn sie nicht silbenweise unter den Noten stehen. Meist sind das Formen von Tätigkeitswörtern (Verben), in die viel Information hineingepackt ist, die in anderen Sprachen separate Wörter gewesen wären. Wenn man einmal gesehen hat, wie sie zusammengesetzt sind, kann man sie sich vielleicht leichter merken, auch ohne dass man die Regeln vollständig lernt.
Die Verbformen in Swahili werden aus einem Baukasten kleiner Silben zusammengesetzt. Schwierig ist, dass so viele Teile im Baukasten sind und dass die verschiedenen Teile manchmal verschieden zusammengebaut werden müssen, damit sie zusammenpassen. Leicht ist, dass das für alle Verben gleich ist: verschiedene Konjugationen oder unregelmäßige Verben gibts nicht. Viel leichter als Deutsch oder Französisch ist es allemal.
Die Grundform des Verbs allein ist meist ein- bis viersilbig und endet mit -a, wenn es kein Fremdwort ist. Dann treten aber praktisch immer Vorsilben dazu und gelegentlich auch zusätzliche Endungen, so dass die ganzen Wörter oft vielsilbig werden:
Die Vorsilben enthalten mindestens die Informationen, die im Deutschen in den Endungen stecken (Person, Einzahl/Mehrzahl, Zeit) und dazu noch weitere, die im Deutschen zusätzliche Wörter erfordern (Verneinung, Verweis auf Objekte und Nebensätze). Verbformen ohne Vorsilben gibts praktisch nicht – außer manchmal als kurze Befehle. Manchmal ist es nur eine Vorsilbe, meist aber zwei bis vier, wodurch sich sehr viele Kombinationen ergeben. Die komplett zu beschreiben wäre viel zu viel für hier. Deswegen gibt es hier nur Beispiele, und zwar vor allem von solchen Formen, wie sie in Liedtexten mit ihren eher einfachen Sätzen vorkommen.
Zusätzliche Endungen nach dem Verbstamm gibt es auch mehrere, die auch kombiniert auftreten. Hier aber beschränken wir uns auf nur eine davon, nämlich die Endung -wa für das Passiv. Sie ersetzt in einfachen Fällen die Endung -a der Grundform, wird aber manchmal auch mit einer Zwischensilbe li- oder le- an den Wortstamm angeschlossen.
Die Grundformen der Verben in den Beispielen sind:
Zwei dieser Wörter sind das Passiv des vorangegangenen Wortes. Der Strich vor jedem Wort deutet an, dass da noch die Vorsilben fehlen. Das ku oder kw vor dem Verbstamm bedeutet, dass bei diesen Verben in manchen Formen vor dem Verbstamm ku- oder kw- eingefügt wird – die Regel dazu lernen wir jetzt aber nicht.
In den Tabellen mit Beispielen werden die Verbformen mit einem Punkt in halber Höhe in die Teile gegliedert, aus denen das Wort aufgebaut ist, die „Morpheme“. Am Wortanfang sind dabei die Morphemgrenzen oft, aber nicht immer, auch Silbengrenzen. In der allerersten Tabelle stehen zwei Übersetzungen: zuerst Stück für Stück jedes Morphem in ein Wort, danach der Sinn. Diese Stück-für-Stück-Übersetzung sparen wir uns danach.
Bitten und Wünsche haben relativ einfache Verbformen. Am Anfang stehen Subjekt und gegebenenfalls Objekt.
Subj. | ni- (ich) | u- (du) | a- (er/sie) | tu- (wir) | m- (ihr) | wa- (sie) |
Obj. | ni- (mich) | ku- (dich) | m- (ihn/sie) | tu- (uns) | wa- (euch) | wa- (sie) |
Am Ende steht das Verb, bei dem die Endung -a durch -e ersetzt ist. Dieses -e wird in der Stück-für-Stück-Übersetzung mit „sollte“ (im Sinne von „es sollte/möge geschehen“) wiedergegeben. – Eine Verneinung wird durch eine zusätzliche Silbe si- nach dem Subjekt, also vor Objekt oder Verbstamm, ausgedrückt.
tu·imb·e | wir singen sollten | singen wir! |
mw·imb·e | ihr singen solltet | singt! |
u·ni·saidi·e | du mir helfen solltest | hilf mir! |
a·j·e | er/sie kommen sollte | möge er/sie kommen! |
tw·end·e | wir gehen sollten | gehen wir! |
tu·m·tukuz·e | wir ihn/sie ehren sollten | ehren wir ihn/sie! |
a·tukuz·w·e | er/sie geehrt werden sollte | er/sie werde geehrt! |
u·ka·e | du bleiben solltest | bleib! setz dich! |
u·tu·p·e … | du uns geben solltest … | gib uns … ! |
u·tu·oko·e | du uns retten solltest | rette uns! |
m·si·ogop·e | ihr nicht euch-fürchten solltet | fürchtet euch nicht! |
Eine Vorsilbe m- wird in beiden Bedeutungen („ihr“ und „ihn/sie“) durch mw- ersetzt, wenn ein Vokal folgt. Das mw- bildet dann zusammen mit dem Vokal nur eine Silbe: tu-i-mbe, aber mwi-mbe mit einer Silbe weniger.
Bei Bitten kann man auch auf die Subjektsilbe verzichten; das sind dann eher Befehle oder sehr dringende Bitten. Wenn sie sich an mehrere Personen richten, wird oft die Silbe -ni angehängt.
Aussagesätze macht man, indem man dem Wort die normale Endung, meist -a, gibt und nach dem Subjekt die Zeit einfügt: me- = Perfekt (Vergangenheit, noch aktuell), na- = Gegenwart, li- = Präteritum (Erzähl-Vergangenheit), ta- = Zukunft, sowie eine Reihe weiterer. Verneinte Sätze werden je nach Zeitstufe verschieden gebildet. Dafür gibts hier nur drei Beispiele in der Gegenwart: mit der Vorsilbe ha-, keiner Zeitsilbe und der Endung auf -i statt -a; dabei wird ha- mit den Vorsilben der Einzahl zusammengezogen: si- (ich nicht), hu- (du nicht), ha- (er/sie nicht).
Die Zeitsilbe a- bezeichnet keine bestimmte Zeit. Sie wird verwendet, wenn etwas zur Zeit ständig zutrifft. Vor a- verschwindet der Vokal der Subjektsilbe: ni·a→n·a, u·a→w·a, a·a→a, tu·a→tw·a, unverändert mw·a, wa·a→w·a.
tu·na·imb·a | wir singen (jetzt) |
tw·a·imb·a | wir singen (ständig, immer wieder) |
ha·tu·imb·i | wir singen nicht |
tu·me·imb·a | wir haben gesungen (jetzt eben) |
tu·li·imb·a | wir sangen (irgendwann früher) |
tu·ta·imb·a | wir werden singen |
n·a·ku·pend·a | ich liebe dich (ständig) |
w·a·ni·pend·a | du liebst mich; sie lieben mich (ständig) |
u·me·ni·saidi·a | du hast mir geholfen (mit Wirkung für jetzt) |
u·li·ni·saidi·a | du halfest mir (irgendwann früher) |
m·na·ni·saidi·a | ihr helft mir |
tu·na·ku·j·a | wir kommen |
tu·me·m·tukuz·a | wir haben ihn/sie geehrt |
a·me·tukuz·w·a | er/sie ist geehrt worden |
u·me·ka·a | du bist geblieben; du hast dich gesetzt |
a·na·tu·p·a … | er/sie gibt uns … |
ni·na·mw·oko·a | ich rette ihn/sie |
m·me·tu·oko·a | ihr habt uns gerettet |
tu·me·oko·lew·a | wir sind gerettet worden |
ha·mw·ogop·i | ihr fürchtet euch nicht |
si·ogop·i | ich fürchte mich nicht |
Wir haben oben vier Zeiten beschrieben sowie kurz auch die gemeinsame Verneinung der beiden Gegenwartsformen, also fünf von insgesamt etwa zwanzig Kombinationen von Vorsilben – Subjekt- und Objektsilbe dabei nicht mitgezählt. Da gibt es relative Zeiten (Bedeutung: „gleichzeitig“, „daraufhin“), Konjunktive („täte“, „hätte getan“) und manches andere. Aber das alles hier zu beschreiben, lohnt sich nicht, weil es in Liedern nicht so oft vorkommt, dass man es sich merken muss. Eine vollständige Liste der Formen findet man in der Swahili-Fibel. Nicht zum Lernen (und falls doch, dann richtig!), sondern um auch einmal eine rätselhafte Verbform entschlüsseln zu können.
Gemeinsam ist allen diesen Verbformen, dass eine Objektsilbe, wenn es sie gibt, immer direkt vor dem Verbstamm steht, während andere Teile verschiedene Orte haben können, wo sie je nach dem Rest des Wortes hingehören.